Zu guter Letzt gebe ich eine Gegenfrage aus einem anderen Thread retour: Was hat die Gendersprache mit Nachhaltigkeit/Ökologie zu tun?
Wie war das noch mit den Millionen Fliegen?
Es gibt wissenschaftliche Studien, dass beim generischen Maskulinum die meisten Menschen nur an Männer denken. Ich finde, das geht nicht, denn Sprache formt Gedanken, formt Gesellschaften.
Es hat etwas mit sozialer Gerechtigkeit und damit auch sozialer Nachhaltigkeit zu tun.
Ich habe mir mal kurz angeguckt, was der Dr. Kubelik bisher publiziert hat. Alles nur Kram, der gegen Feminismus und den ‚Genderwahn‘ ist.
Tut mir leid, aber ich stimme seiner Meinung nicht zu. Und ich glaube, als jemand, die in zahllosen Minderheiten lebt, denke ich, dass die Mehrheit der Gesellschaft sich mal nicht so anstellen soll. Ist ja wie bei der gleichgeschlechtlichen Ehe…
Oh und ein kurzer Nachtrag: Andere Sprachen kriegen es auch hin ohne ein generisches Maskulinum auszukommen. Und dann sogar noch neutrale Personalpronomen zu haben, die im Alltag genutzt werden.
Und wenn dem so wäre, damit für Tomorrow zumindest jetzt nebensächlich… wie an anderer Stelle hier im Forum betont wird, da die ökologische Nachhaltigkeit im Vordergrund steht.
Die behaupteten Erkenntnisse können nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle aktuell verbreiteten Gendersprachkonzepte viele Fehler und sprachliche Ungenauigkeiten und Widersprüche erzeugen.
Gut, man könnte damit dabei verbleiben: Sprache gendern - kann man, muss man nicht. Dass hieße aber auch, dass dieser Automatismus, dass ein Kunde wegen ungegenderter Anrede „Diskriminierung“ schreiend automatisch Recht bekommt, nicht nachvollziehbar ist. Das muss auch anders gehen.
Kubelik gibt nicht ein bloßes Meinungsbild ab, sondern zeigt die ganz konkreten Probleme und Widersprüche auf.
Ich erinnere daran, dass das Redesign der Webseite und er App, und auch die Ausrichtung mit der Kunst, dafür war um eben auch die soziale Komponente mit einzuschließen.
Da stimme ich Dir sogar zu. Daher mein Vorschlag mit den Wortneuschöpfungen und dem Neutrum als Standard.
Mag sein. Aber irgendwie Gendern ist besser als nicht gendern. Es zeigt zumindest den Willen zur Veränderung.
Das Einzige was Kubelik tut, ist, sich mit Kritik an der Arbeit Anderer zu profilieren. Mir wäre lieber so jemand steckt diese Energie in das Nachdenken über bessere Sprachkonstrukte.
Ich erlaube mir, die Einstellung, irgendwie gendern sei besser als nicht zu gendern, als Aktionismus zu bewerten.
Damit profiliert man sich ja eben durch Abgrenzung und Kritik.
Das, was du Kubelik vorwirfst.
@Selena-Lowell Danke für den Hinweis auf die soziale Komponente. Die wurde am anderer Stelle im Forum schon verneint.
Aktionismus, ja. Im Gegensatz zu Kubelik profiliert man sich aber nicht damit überhaupt zu gendern, sondern versucht inklusiver zu werden in der Sprache.
Wie gesagt, wie das aktuell gemacht wird ist auch nicht mein Ding,
Du springst von Sprachstilkritik zur Überlegung der Frage, was Diskriminierung bedeutet.
Als Mann über Diskriminierung zu sprechen, wenn man das aus der Position des Mannes in einer Sprachwelt mit vorherrschendem maskulinem Generikum tut, ist albern. Wer aus der Position der Stärke mit Diskriminierung daherkommt, diskreditiert sich selbst. Über Sprachstil alleine würde ich mit dir noch eine Diskussion führen. Ich bin da selbst zwiegespalten. Wenn ich jetzt einen Essayband zum Thema XY schreiben würde – ich würde vermutlich auch nicht alles gendergerecht schreiben – wegen des Stils. Aber wie ich bereits an mehreren Beispielen, wie auch dem des vegetarischen Kantinenessens dargelegt habe: Meiner Ansicht nach stimmt dein Verständnis des Wortes Diskriminierung nicht mit dem überein, was es landläufig bedeutet. Du erfährt nämlich keine Diskriminierung. Deswegen läuft deine ganze Argumentation ins Leere, fast wie ein Zirkelschluss.
Und ich frage mich, warum ist das so? Liegt dir die Schönheit der Sprache so am Herzen? Bist du so konservativ, dass du dich mit Wandel schwer tust? Fürchtest du insgeheim, dass du als Mann im Machtverhältnis gegenüber dem anderen Geschlecht ins Hintertreffen gerätst? Keine Ahnung, dazu kennen wir uns zu wenig, ich will dir da nichts unterstellen.
Aber sagen wir es mit einem Zitat aus der Serie „The Handmaid’s Tale“: “Better never means better for everyone. It always means worse, for some.” Gerechtigkeit bedeutet eben manchmal, dass eine privilegierte Gruppe Privilegien aufgibt. Wenn die privilegierte Gruppe dann aber in diesem Zusammenhang von Diskriminierung spricht, dann ist offensichtlich, dass diese Gruppe überhaupt nicht weiß, wovon sie redet.
Also ich finde, es enthält auch „Kundinnen“ nicht. Was jetzt? Das ist so ein Scheinargument, so ein Eiertanz, um sich dem Gestus des Kunstwortes zu entziehen.
Unterhaltsam, ich lache gerade herzlich.
Du weißt gar nichts über mich. Mein Geschlecht, meine Herkunft, meine Hautfarbe, meine sexuelle Orientierung.
Aber klar: Wer gegen Gendersprache ist, der kann nur männlich, weiß, heterosexuell sein. Der muss hochgradig privilegiert sein…
Da erzählst du mir etwas von Zirkelschlüssen?! Seriously?!
Da muss ich nix mehr zu sagen.
Fair enough, ich schreibe ja bereits, dass ich dir nichts unterstellen will.
Ob meine Argumentation auf dich persönlich zutrifft, kann ich nicht sagen. Fakt ist, dass du in weiten Teilen aber argumentierst, man könne sich nach Belieben aussuchen, ob man sich durch Sprache diskriminiert fühlt. Das ist falsch. Natürlich gibt es gute Argumente gegen gendergerechte Sprache. Aber die Diskiminierungskeule zu schwingen, diskreditiert andere legitime Argumente. Denn es ist wirklich absurd, wenn ein Mann – egal ob das jetzt auf dich zutrifft oder nicht, Diskriminierung in gleicher Weise in Anspruch nimmt wie es Kritikerinnen des maskulinen generischen Genus tun. Dagegen argumentiere ich. Diese These ist universell, nicht auf dich spezifisch bezogen.
Das ist Blödsinn, ich habe mich über Hautfarbe, sexuelle Orientierung usw. überhaupt nicht geäußert. Auch Frauen können Frauen diskriminieren. Schwule können Lesben diskriminieren. Afroamerikanische schwule Männer können heterosexuelle weiße Frauen diskriminieren. Rothaarige Frauen können Männer mit Haarausfall diskriminieren.
Es geht alleine um jene Gruppe, die ein maskulines Generikum im grammatikalischen engeren Sinn des geschlechtsspezifischen Genus der deutschen Sprache eben – nicht ganz aus Zufall – zu 100% trifft. Und dann um die, die es eben nicht trifft. Seriously.
Irgendwie gendern ist besser als nicht gendern, ganz ganz steile These.
Das finde ich dermaßen undifferenziert und sachlich falsch, dass mir wenig einfällt. Wenn ich jetzt mal so irgendwie dahingendere, wie es mir grade passt und damit nicht nur einen Haufen Rechtschreibfehler begehe, sondern dies auch auf Kosten anderer, virlleicht viel größerer oder schützenswerterer Gruppierungen tue, ist das besser als gar nicht zu gendern?
Wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht und wir am Ende 100 verschiedene Formen benutzen und die Sprache völlig verzerren, ist das besser?
Nein, da kann niemand mit klarem Verstand mitgehen… Es muss eine offizielle Lösung gefunden werden, welche in die Regeln der deutschen Sprache einheitlich aufgenommen wird. Und dann können wir alles sie verwenden. Dass Tomorrow als Finanzunternehmen bewusst diese eindeutig als Rechtschreibfehler zu deklarierende Form in offizielle Dokumente wie Kontoauszüge aufnimmt, ist generell fragwürdig.
Dann haben wir mit dieser Form genau was erreicht? Anstatt, dass ein Teil der Bevölkerung offensichtlich und der andere Teil aus historischem Kontext hervorgehend gemeint wird (Liebe Kunden), haben wir mit der nun verwendeten Form niemanden offensichtlich angesprochen. Wozu führt das dann?
Ich hinterfrage nicht das Konzept der Gleichberechtigung in der Sprache, aber dieses verwendete Konstrukt strotzt vor so viel unverständnis und Fehlern, dass mir nicht einleuchtet, wieso wesentlich sinnvollere Sprachkonstrukte ignoriert werden (Liebe Kundinnen und Kunden / Liebe Kundschaft etc.).
Achtung, langes Essay
Sei so gut und klär mich dann darüber auf, was genau dann dein tatsächlich formuliertes Argument ist. Scheint mir nämlich nicht besonders gut zu gelingen, das ohne Räuberleiter zu verstehen.
Zum Beispiel? Mir fällt da ein sehr aktuelles, sehr prominentes Gegenbeispiel ein: Aktuelle Nachrichten aus Deutschland | tagesschau.de
Da sieht man sehr deutlich, dass buchstäblich ein gesetzlicher Zwang besteht, dass die Männlichkeitsform Frauen mitmeinen muss (denn Frauen sind vom Gesetz natürlich nicht ausgenommen), aber die Weiblichkeitsform Männer nicht mitmeinen kann. Was auch immer du als für ein Beispiel hast - ich bin gespannt.
Du hast dieses Recht. Es steht dir natürlich frei, einen besseren Vorschlag zu bringen.
Verstehe ich nicht. Wenn ich festlege, ob ich mich durch eine Aussage diskriminiert fühle, dann lege ich automatisch fest, ob du dazu nichts mehr sagen darf? Das stimmt einfach nicht.
Du erkennst also an, dass es generell Diskriminierung gibt (nicht sprachlich natürlich). Wie sieht die aus? Also, konkret, sodass du da sogar helfen kannst?
„I’m not racist, I habe a black friend.“ Nur weil es Leute gibt, die mit einer Sache kein Problem haben, heißt das nicht, dass das Problem nicht existiert.
Das muss man halt auch anerkennen - die aktuell mir bekannten Lösungen sind alle nicht perfekt. Sie stellen aber aus meiner Sicht eine Verbesserung dazu dar, wie es bis vor ca. 20 Jahren (oder so - hab die Zahl gerade aus der Luft gegriffen, sie nur rhetorischer Natur) war.
Du weißt hoffentlich, dass ich dir grundsätzlich zustimme @Frnk, aber man muss anerkennen, dass das Thema wirklich nicht ganz einfach ist.
Das ist ein total guter Punkt. Die Idee ist ja, dass die Konstruktion inklusiv gemeint sein soll - also alle, nicht nur Männer und Frauen, sondern eben das gesamte Spektrum. Wenn das unzureichend ist, sollte das Ziel sein, etwas besseres zu finden (wie die oben genannte frei wählbare Anrede, mit Freitext) und nicht zu sagen „alles bleibt besser so, wie es ist“. Oder?
Weite Teile der britischen Gesellschaft haben für den Brexit gestimmt und weite Teile der US-Gesellschaft für Donald Trump. Ist das wirklich argumentativ robust?
Ich stimme dir hier zu, würde aber noch eine zusätzliche Perspektive anbieten. Selbst wenn nämlich die Sprache nicht die Gedanken und dadurch die Gesellschaft formt, wird in jedem Fall durch die Anpassung der Umstände (z.B. in Form von genderneutraler Sprache) aufgezeigt, wo sich bereits existierende, signifikante Ungleichbehandlungen finden lassen. Das Beispiel mit dem Gesetzestext im generischen Femininum ist sehr anschaulich. Alternativ auch Fälle, wo man Texte umschreibt und Frauen gegen Männer tauscht und umgekehrt. Da sieht man, wie merkwürdig manche Sachen sind, aber als total gängig wahrgenommen werden.
Ganz wichtig und 100% korrekt. Auch dort erfordert es natürlich die Teilnahme durch die Gesellschaft, denn natürlich gibt es trotzdem Männer- und Frauenbilder und -rollen, die dadurch auch nicht einfach verschwinden.
Nochmal meine Frage vom Anfang: Warum ist das schlechter als der heute noch sehr verbreitete generische Maskulin?
Ja, aber gendergerechte Sprache nutzen ist so einfach. Warum nicht einfach machen, wenn es so einfach ist - selbst, wenn darauf nicht der Fokus liegt?
Ohne jetzt für jemand anderen sprechen zu wollen: diese Haltung ist geradezu absurd wenn man einen Handlungsbedarf sieht und dann handelt (selbst, wenn es nicht die perfekte Lösung ist), ist das Aktionismus?
Rechtschreibung ist für die Funktion von Sprache nicht wichtig - weder historisch gesehen, noch heute.
Buchstäblich genau exakt so funktioniert Sprache. Es sind laufend hunderttausende Experimente aktiv, inklusive regionaler Dialekte, Jugendsprache, Einflüsse aus Fremdsprachen, etc. Das ist Sprachwandel. Am Ende setzt sich immer irgendwas durch. Anstatt also abzulehnen, dass sich irgendwas ändert, bis die „perfekte“ Lösung gefunden ist, ist am produktivsten, den Wandel mitzugestalten, indem man schlechte Ansätze verbessert und die verbesserten Varianten aktiv nutzt und verbreitet. Ansonsten ist man nur Bewahrer:in um des Bewahrens Willen.
Muss das sein? Alle, die Gendersternchen oder Binnen-I oder Doppelpunkt nutzen, sind also nicht bei klarem Verstand?
Ist das so? Oder ist es nur neu und ungewohnt und deshalb fühlt es sich danach an? Woran erkennt man den Unterschied?
@Selena-Lowell hat es schon so oft gesagt, und das kann ich nur unterstützen: Ziel muss aus meiner Sicht irgendwas sein, das allumfassend inklusiv ist, das jeden Menschen meint. Wenn die aktuellen Lösungen wirklich unzulänglich sind, dann werden sie sich langfristig auch nicht durchsetzen. Im Falle der Anrede gibt es zwei im Thread genannte gute Mittel: Entfallen lassen oder eine Freitextbegrüßung ermöglichen, die alle für sich selbst eintragen können. Für viele andere Fälle reicht das freilich nicht aus. Darum, anstatt eine Verweigerungshaltung einzunehmen, kann ich nur empfehlen, mitzumachen, zuzuhören, nachzudenken und etwas zu finden, das besser funktioniert.
Ich habe jetzt grade nicht die Motivation, auf den Rest einzugehen, nur den Punkt möchte ich klarstellen:
Ich beziehe mich in dem von dir zitierten Satz nicht generell auf Personen, welche diese Formen benutzen, sondern nur auf die Aussage, dass irgendwie zu gendern immer besser sei, als es gar nicht zu tun. Das klingt einfach nur wie: „So wie es ist, ist es doof, hauptsache du machst es anders. Ob das dann ne schlechtere Variante ist, ist egal, sie soll ja nur anders sein.“ Und genau auf diese Einstellung bezieht sich meine etwas harsche Aussage, zu der ich weiterhin stehe.